In §1 des Schulgesetzes vom 15. Februar 2005 in der Fassung vom 17. Juni 2014 wird der grundsätzliche Anspruch aller Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen auf eine ihren Stärken und Begabungen sowie auch den persönlichen Bedarfen entsprechende individuelle Förderung festgelegt.
Sofern Schülerinnen und Schüler ihre Leistungen nicht begabungsgemäß erbringen können, erhalten sie über die individuelle Förderung hinaus Nachteilsausgleich.
Rechtliche Grundlage für den Nachteilsausgleich im Berufskolleg sind folgende im Schulgesetz und in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für das Berufskolleg getroffene Regelungen:
- § 2 Absatz 5 Schulgesetz (in der jeweils geltenden Fassung)
- §15 des Ersten Teils der Verordnung für die Ausbildung und Prüfung in den Bildungsgängen des Berufskollegs (Ausbildung- und Prüfungsordnung Berufskolleg – APO-BK).
Nachteilsausgleiche zielen darauf ab, Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen, Erkrankungen und/oder Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung durch gezielte Hilfestellungen in die Lage zu versetzen, ihre Fähigkeiten im Hinblick auf die gestellten Anforderungen nachzuweisen. Die Schülerinnen und Schüler müssen zielgleich lernen. Die Prämisse des „zielgleichen“ Lernens impliziert eine Vergleichbarkeit der Anforderungen, deren Erfüllung zum Erwerb eines normierten „zielgleichen“ Abschlusses führt. Der Erwerb eines solchen zielgleichen Abschlusses schließt daher auch für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung und/oder Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung eine Absenkung der Anforderungen grundsätzlich aus.
Nachteilsausgleiche am Berufskolleg beziehen sich in der Regel auf die Verlängerung äußerer Bedingungen, z.B.:
zeitlich
- klar definierte Ausweitung der Arbeitszeit und/oder der Vorbereitungszeit
- Verlängerung von Pausenzeiten
technisch
- Bereitstellung besonderer technischer Hilfsmittel (Lesegeräte, Laptops etc.)
räumlich
- Gewährung besonderer räumlicher Bedingungen (blendungsarmer Sitzplatz, ablenkungsarme Umgebung)
personell
- Assistenz, z.B. bei Arbeitsorganisation
Bei der Gewährung eines Nachteilsausgleichs im Falle einer „schweren Beeinträchtigung des Lesens und Rechtschreibens“ ist gemäß § 15 Erster Teil der APO-BK zu beachten, dass der sogenannte LRSErlass zwar grundsätzlich für alle Schulstufen gilt, in Bezug auf „4.1. Schriftliche Arbeiten und Übungen“ in der Sekundarstufe II jedoch keine Anwendung findet. Dem zeitweiligen Verzicht auf eine Leistungsbewertung steht am Berufskolleg die folgende Regelung gemäß § 8 Abs. 3 Erster Teil APOBK entgegen:
Die Förderung in der deutschen Sprache ist Aufgabe des Unterrichts in allen Fächern. Häufige Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit in der deutschen Sprache müssen bei der Festlegung der Note angemessen berücksichtigt werden. Dabei sind insbesondere das Alter, der Ausbildungsstand und die Muttersprache der Schülerinnen und Schüler zu beachten.
Ein Nachteilsausgleich im Falle einer schweren Beeinträchtigung des Lesens und Rechtschreibens beschränkt sich in der Regel auf eine Zeitzugabe.
Für das Berufliche Gymnasium gilt darüber hinaus § 8 Abs. 4 APO-BK Anlage D:
Bei der Bewertung schriftlicher Arbeiten sind Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit in der deutschen Sprache und gegen die äußere Form angemessen zu berücksichtigen. Gehäufte Verstöße führen zur Absenkung der Leistungsbewertung um eine Notenstufe in den Jahrgangsstufen 11 und 14 sowie um bis zu zwei Notenpunkte gemäß § 11 in den Jahrgangsstufen 12 und 13.
Das Berufskolleg kennzeichnet eine Vielzahl an unterschiedlichen Bildungsgängen und Prüfungen.
Haben Sie an Ihrer bisherigen Schule einen Nachteilsausgleich aufgrund Ihrer Beeinträchtigungen erhalten, so füllen Sie bitte den Abfragebogen „Inklusive Beschulung“ (PDF-Dokument) aus und fügen die gewünschten Unterlagen (siehe Abfragebogen „Inklusive Beschulung“) als Kopie bei. Diese Dokumente geben Sie bitte spätestens am Einschulungstag bei Ihrer Klassenlehrerin/ Ihrem Klassenlehrer oder in der Verwaltung ab.
Folgeanträge müssen 8 Wochen vor den jeweiligen Sommerferien ebenfalls in Form eines formlosen Antrages und ggf. der Beifügung ärztlicher Atteste und Gutachten bei der Klassenlehrerin/ dem Klassenlehrer eingereicht werden, damit sie auch weiterhin berücksichtigt werden können.
Bitte beachten Sie, dass aus vorhandenen Gutachten und Attesten allerdings kein zwingender Anspruch auf einen Nachteilsausgleich abgeleitet werden kann. Entscheidend ist immer die fachlich-pädagogische Einschätzung durch die Lehrkräfte. Nach Beratung mit der Klassenkonferenz und Rücksprache mit der Schülerin oder dem Schüler bzw. den Erziehungsberechtigten wird Art und Umfang des Nachteilsausgleichs festgesetzt. Dieser wird in der Schülerakte dokumentiert, allen Beteiligten bekannt gegeben und ist bindend.
Nachteilsausgleich im Rahmen des Zentralabiturs im Beruflichen Gymnasium
Gemäß § 15 Erster Teil APO-BK obliegt der oberen Schulaufsicht die Entscheidung über die Gewährung von Nachteilsausgleichen im Zusammenhang dem Zentralabitur. Es ist empfehlenswert vor einer Gewährung von Nachteilsausgleichen im Verlauf des Besuchs des Beruflichen Gymnasiums frühzeitig Kontakt zur oberen Schulaufsichtsbehörde aufzunehmen, um angemessen und verantwortungsvoll mit Blick auf mögliche Nachteilsausgleiche umzugehen, die im Rahmen des Zentralabiturs gewährt werden könnten.
Nachteilsausgleich bei Berufsabschlussprüfungen in den Fachklassen des dualen Systems nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO)
Bei der Berufsabschlussprüfung in der dualen Berufsausbildung handelt es sich um zentrale Prüfungen nach Bundesrecht, die nicht in der Zuständigkeit der Berufskollegs liegen. Der Nachteilsausgleich erfolgt auf Grund des § 65 BBiG oder § 42 HwO. Der Antrag auf Gewährung eines Nachteilsausgleichs muss rechtzeitig bei der zuständigen Kammer (IHK/HWK) durch die Schülerin bzw. den Schüler bzw. bei Jugendlichen durch die Erziehungsberechtigten gestellt werden. Sofern Schülerinnen und Schüler einen Nachteilsausgleich im Rahmen einer dualen Ausbildung für die Berufsabschlussprüfung von der zuständigen Kammer wünschen, kann ihnen eine Bescheinigung über den gewährten Nachteilsausgleich durch das Berufskolleg erstellt werden.
Nachteilsausgleich bei Berufsabschlussprüfungen gemäß BBiG in vollzeitschulischer Form
Die Abschlussprüfung im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß § 50 BBiG liegt in schulischer Verantwortung.
Bei Rückfragen zur inklusiven Beschulung und der Gewährung von Nachteilsausgleichen wenden Sie sich gerne an die Verwaltung.
Quelle: https://www.schulministerium.nrw/sites/default/files/documents/5-Arbeitshilfe_Berufskolleg.pdf